Frontantrieb, Heckantrieb oder Mittelradantrieb? Oft scheiden sich bei der Auswahl des für den Patienten „besten“ Antriebes die Geister. Eines vorweg: den „besten“ Antrieb gibt es nicht. Denn die Wahl hängt von vielen Faktoren ab und ist stets individuell zu betrachten.
Zunächst einmal eine Grafik, die verdeutlicht, wie sich die Antriebsformen beim Elektrorollstuhl visuell unterscheiden (Danke an dieser Stelle an Sunrise Medical für die Fotos):
Auf der linken Abbildung ist ein klassischer Frontantrieb, in der Mitte ein Mittelradantrieb und rechts ein Heckantrieb abgebildet.
Der Frontantrieb
Hierbei handelt es sich um zwei Antriebsmotoren, die im vorderen Bereich des Elektrorollstuhles angebracht sind. Die hinteren Lenkräder sind entweder frei schwenkbar oder mit einem Servomotor ausgestattet.
Dieser Stuhl ist in der Regel sehr gut für den Außenbereich geeignet, die großen Vorderräder erleichtern das Befahren von Gehwegkanten, der Stuhl lässt sich prima auch auf Schotter- oder Waldwegen fahren.
Allerdings schwenkt der hintere Teil des Rollstuhles im nicht einsehbaren Bereich hinter dem Benutzer aus, sodass im Innenbereich oder an Hauswänden, neben Autos oder zwischen Regalen im Supermarkt eine gewisse Vorsicht ratsam ist.
Wenn der Rollstuhl vorwiegend im Außenbereich, auch gerne im ländlichen Raum gefahren werden soll, ist dies eine Antriebsform, die bevorzugt werden sollte.
Der Heckantrieb
Vor wenigen Jahren konnte man lediglich zwischen Front und Heckantrieb wählen. Wenn der Rollstuhl vorwiegend im Innenbereich zum Einsatz kam, wählte man folglich den Heckantrieb. Insgesamt waren die Rollstühle kompakter und hatten in der Regel auch eine geringere Reichweite. Der Stuhl schwenkt im vorderen, einsehbaren Bereich und war für kognitiv eingeschränkte oder auch ältere Personen besser geeignet.
Natürlich kann man mit einem Heckantrieb auch im Außenbereich fahren. Hierbei ist es allerdings sinnvoll, den Rollstuhl mit einem Spurassistenten/Gyrosensor auszustatten – denn die frei drehbaren, vorderen Lenkräder folgen jeder seitlichen Neigung der zu befahrenden Fläche. Dies interpretiert der Rollstuhl als leichte Kurve und somit reduziert er die Geschwindigkeit. Ein homogenes Fahrerlebnis wird folglich erst dann erzielt, wenn technische Helferlein hier korrigierend eingreifen.
Diese Form der Elektrorollstühle hat selbstredend immer noch ihre Daseinsberechtigung, wenngleich die folgende Antriebsform in den Jahren ab 2017 immer mehr Fans findet:
Der Mittelradantrieb
Dieser Antrieb ist mit einem Segway vergleichbar, welcher im vorderen und hinteren Bereich mit gefederten Stützrädern versehen ist.
Der Vorteil bei dieser Form des Rollstuhlantriebes liegt auf der Hand: Der Körperschwerpunkt des Benutzer liegt direkt über den Antriebsrädern. Somit ist die Traktion stets gewährleistet. Der Schwenkbereich verteilt sich in etwa auf 50:50 in den vorderen und hinteren Bereich, sodass tatsächlich ein Drehen um die eigene Körperachse möglich ist.
Das Fahrverhalten auf geneigter Ebene, in Steigungen und Gefällen ist deutlich sicherer. Allerdings hat diese Antriebsform natürlich auch im Vergleich zu den obigen Modellen ihre Nachteile.
Eine Herausforderung: Die Bergfahrt
Natürlich hat jedenAntriebsform Vor – und Nachteile. Besonders interessant wird es, wenn man sich mit einem Elektrorollstuhl in anspruchsvollem Gelände mit stärkerem Gefälle befindet.
Zunächst geht es bergauf
Hier ist der Mittelrad und Heckantrieb im Vorteil. Das Gewicht des Nutzers befindet sich im Bereich der Antriebsräder. Somit ist ein hohes Maß an Traktion gegeben.
Beim Frontantrieb werden die Antriebsräder eher entlastet und es könnte zu einem Durchdrehen der Antriebsräder kommen.
Nun geht es bergab
Hier sind der Front- und der Mittelradantrieb im Vorteil. Das Gewicht verlagert sich auf die Antriebsräder und es ist ein sicheres herunter fahren möglich. Beim Heckantrieb dagegen werden die Antriebsräder entlastet und somit ist ein sicheres Lenken und Bremsen ab einem gewissem Gefälle nicht mehr möglich.
Fazit
Um den für Sie „besten Antrieb“ unter Berücksichtigung aller oben genannten Faktoren zu finden, ist auf jeden Fall ein Hausbesuch erforderlich. Es nützt nichts, sich in den Räumen eines Sanitätshauses oder in der Klinik beraten zu lassen. Denn sowohl ihre Räumlichkeiten zu Hause als auch die Topografie im Außenbereich (und natürlich Ihre persönliche Disposition) sind bei der Auswahl der Antriebsform von essentieller Bedeutung. Das notwendige Zubehör und individuell notwendige Ausstattungsoptionen können am besten dort beurteilt werden, wo der Rollstuhl später auch eingesetzt wird.
Sie haben Fragen oder möchten sich vor Ort beraten lassen? Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir oder meinen Kollegen von SMB auf!